Pressemitteilung unseres Wirtschaftsstaatssekretärs Sven Giegold:
Am Donnerstagabend hat der Bundestag die Reform des Kartellrechts beschlossen, die ich vor einem guten Jahr auf den Weg gebracht hatte. Auf die gewachsene Macht globaler Unternehmen reagieren wir mit zusätzlicher Macht für unser Bundeskartellamt. Funktionierender Wettbewerb wird damit einfacher durchsetzbar.
Das „Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen“ (GWB) gilt als das Grundgesetz der sozialen Marktwirtschaft. Unsere heutige Reform dieses Gesetzes ist die grundlegendste seit Ludwig Erhard und enthält konkret:
- Das Bundeskartellamt kann nach Untersuchung eines Wirtschaftssektors Abhilfemaßnahmen beschließen, die funktionierenden Wettbewerb herstellen. Ein bürokratischer und schwieriger Nachweis eines Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung ist nicht mehr notwendig. Solche Abhilfemaßnahmen können z.B. Verpflichtungen zum Zugang für Schnittstellen und Daten, die Trennung von Unternehmensbereichen oder die Etablierung transparenter Standards umfassen. Kleine und neue Wettbewerber bekommen so Zugang zu bisher vermachteten Märkten.
- Eigentumsrechtliche Entflechtung: Als ultima ratio kann das Bundeskartellamt auch die Entflechtung eines Unternehmens anordnen. Damit setzen wir durch, womit FDP-Bundeswirtschaftsminister Brüderle einst scheiterte.
- Vorteilsabschöpfung: Bei Kartellrechtsverstößen kann das Bundeskartellamt zu Unrecht erlangte Vorteile leichter abschöpfen. Diese Regelung bestand schon im geltenden Kartellrecht, konnte jedoch wegen bürokratischer Regelungen noch nie angewendet werden. Wir stellen sie jetzt scharf.
- Vereinfachung der Fusionskontrolle: Künftig kann das Bundeskartellamt nach einer Sektoruntersuchung Unternehmen unbürokratischer verpflichten, Zusammenschlüsse kontrollpflichtig zu machen. Übermäßiger Unternehmenskonzentration wird so wirksamer vorgebeugt.
- Durchsetzung des Digital Markets Act (DMA) der EU: Wir schaffen die rechtlichen Grundlagen, damit das Bundeskartellamt die EU-Kommission bei der Durchsetzung des DMA unterstützen darf. Auch die gerichtliche Durchsetzung des DMA („private enforcement“) machen wir nun gängig.
Mit dieser Reform bekommt das weltweit respektierte deutsche Wettbewerbsrecht eine neue Säule.
Vorbild ist hier die Wettbewerbsbehörde CMA in Großbritannien. Damit wird nicht nur der Missbrauch wirtschaftlicher Macht sanktionierbar, sondern die Vermachtung von Märkten selbst angegangen. Diese Reform nutzt Verbraucherinnen und Verbrauchern genauso wie der allergrößten Mehrheit von Unternehmen, die so neue Chancen auf Marktzugang erhalten.
Wie alle wichtigen Reformen der Wettbewerbspolitik und des Kartellrechts war auch diese umkämpft. Schließlich weisen wir damit einige sehr einflussreiche Unternehmen in demokratische Schranken. Auch deshalb dauerte das Gesetzgebungsverfahren lange. Doch die Suche nach einer stabilen Mehrheit hat sich gelohnt. Das Gesetz ist durch die Verhandlungen in der Ampel an vielen Stellen besser und klarer geworden. Unter anderem wurde noch klarer gestellt, dass es uns natürlich nicht darum geht, Gewinne aus Innovationen abzuschöpfen oder per Bundeskartellamt zu sanktionieren. Innovationen sollen sich weiter lohnen. Wenn jedoch ganze Märkte vermachten, muss Wettbewerb durch staatlichen Eingriff wieder ermöglicht werden.
Die Reform wurde im Bundestag mit den Stimmen von SPD, Grünen, FDP und Linken beschlossen. Dank besonders für die Zustimmung der Linksfraktion, die aus der Opposition mit unserer Regierungsmehrheit gestimmt hat. Leider haben CDU & CSU gemeinsam mit der AfD diese wichtige Reform abgelehnt.
Ein ähnlicher Vorstoß zur Reform der EU-Wettbewerbspolitik, das „New Competition Tool“, war vor einigen Jahren an intensiver Lobbyarbeit einiger Konzerne gescheitert. Nach unserem Erfolg: In Europa ist es nun Zeit für einen neuen Anlauf für den ganzen Binnenmarkt. Die EU-Kommission ist nun am Zuge! Das Thema eignet sich auch für die Wahlprogramme aller pro-europäischen Parteien.
Ich persönlich bin hocherfreut, dass sich meine Idee, die teils dreisten Preiserhöhungen z.B. für Treibstoffe im Zuge der Energiekrise mit einer Reform der Wettbewerbspolitik zu beantworten, durchgesetzt hat. Das gehört schließlich zu meiner Aufgabe als Staatssekretär im Wirtschaftsministerium.
Ohne die wissenschaftliche Expertise und die Unterstützung von einigen Unternehmensverbänden und Nichtregierungsorganisationen wäre dieser Erfolg gegen einige mächtige Lobbys nicht möglich gewesen.
Der Erfolg zeigt: Das Primat der Politik gilt und kann sich durchsetzen.
Natürlich bleibe ich dran an der Verfolgung unserer BMWK-Agenda für Wettbewerb. Jetzt arbeiten wir – wie im Koalitionsvertrag vereinbart – an der Stärkung des Bundeskartellamts im Verbraucherschutz und der Reform der Ministererlaubnis. Der Einsatz für fairen Wettbewerb geht weiter.